Saarbrücker Zeitung vom 04.07.2021 – Comeback der jungen HfM-Blechbläser

Comeback der jungen HfM-Blechbläser nach 16 Monaten Corona-Abstinenz am Wasserturm in Heusweiler-Holz. VON MARCO REUTHER HEUSWEILER „Die Bläser waren ja mit den Sängern — die gefährlichsten Menschen”, sagt, ironisch gemeint, Jochen Lorenz. Schließlich werden die Blechbläser in Corona-Zeiten argwöhnisch beäugt, weil vorne aus Trompete & Co. neben den Tönen womöglich auch mit Viren belastete Aerosole entweichen. Jochen Lorenz unterrichtet Trompete und Fachdidaktik an der Hochschule für Musik Saar (HM) in Saarbrücken, leitet dort auch das große Blechbläser-Ensemble. Größere Auftritte, wie sie für die Ausbildung wichtig sind, waren etwa 16 Monate lang nicht möglich, die Stimmung im Ensemble war in dieser Hinsicht ein ganz tiefes düsteres Moll — bis zu diesem Sonntagvormittag: Zwölf Studierende kamen mit ihrem „Blech” zum Wasserturm im Heusweiler Ortsteil Holz, um eine Matinee zu spielen. Da passte das Eröffnungs-Stück des Konzertes sehr gut, denn mit „The Arrival of the Queen of Sheba” („Die Ankunft der Königin von Sheba”) hat Komponist Georg Friedrich Händel ein fröhliches, optimistisches Stück geschaffen, das in Holz umso kraftvoller wirkte, weil es gleich von zehn Blechbläsern vorgetragen wurde, die ihre Aufgabe auch ausgezeichnet „händelten”. Es war jedenfalls — und das würde sicher jeder aus dem Publikum bestätigen — eine Freude, mit welcher Konzentration und mit welchem Können alle Stücke dieses Vormittags gespielt wurden. Und das unter erschwerten Bedingungen, denn was als Open-Air-Konzert auf dem ehemaligen Bergwerksgelände mit historischem Gebäudebestand gedacht war, das musste wegen fast ununterbrochen strömenden Dauerregens in eine Art große, nach einer Seite offenen Scheune verlegt werde. Die Freude, endlich wieder in großer Besetzung vor Publikum spielen zu dürfen, merkte man den jungen Leuten dennoch an. Dass das Konzert eine große Bandbreite hatte, zeigte sich schon am Titel „Von königlichen Fanfaren und der Katzenmusik … ” — „Katzenmusik” deshalb, weil auch „Brass Cats” von Chris Hazell dazugehörte: Der Komponist hat in dem Stück, das als ein Schlüsselwerk für Blechbläser gilt, seine vier Katzen porträtiert. Offenbar vier schwierige Charaktere, denn es ist, wie auch die anderen Stücke, nicht einfach zu spielen: „Anstrengend ist das Programm — das hat sich gewaschen”, sagt Lorenz. Wie wichtig solche Konzerte („die sind Gold wert”) für die jungen Musiker seien, das habe auch Corona bestätigt, denn die fehlende Praxis, „die merkt man schon”, trotz fleißigem Üben. Nach dem Konzert konnten wir mit vier der jungen Musiker reden und ernteten auf die Frage, ob die lange Konzert-Abstinenz auch mal daran denken ließ, vielleicht doch nicht Berufsmusiker zu werden, vier Mal heftiges Kopfschütteln und vier deutliche „Nein” , und Rosa Benz erklärt: „Den Ehrgeiz legt man ja nicht mal so eben von heute auf morgen ab.” Zumal, ergänzt Timo Seewald, alle Musikstudierenden ja schon etliche Jahre vor dem Studium zur Musik gefunden haben, die Liebe zur Musik also sicher keine Eintagsfliege ist. Der Neustart, so Rosa Benz — die anderen bestätigen es — sei vom Gefühl her „ein Mix aus Nervosität und Vorfreude” gewesen. Und was bedeutet es ihnen, nun

wieder in großer Besetzung vor Publikum spielen zu können, statt — was viele getan hatten — Musik übers Internet zu streamen? „Das ist nicht zu vergleichen. Der Kontakt mit dem Publikum ist live natürlich viel intensiver — man spürt das Publikum”, sagt Marcus Müller. Es beeinflusse auch die eigene Gefühlslage, schildert Sophie Rüth, dass da etwas vom Publikum zurückkommt, „man spielt tatsächlich mit mehr Gefühl”. Und natürlich, so Timo Seewald, gebe es Live-Erlebnisse, die man bei Internet-Konzerten nie hat, etwa jetzt beim Konzert in Holz der Dauerregen im Hintergrund, „der hat doch gut zu ,Greensleeves’, zu der melancholischen Stimmung gepasst.” Der etwa 400 Jahre alte englische Klassiker war das vierte Stück im Programm. Einen beruflichen Plan B jedenfalls, da sind sich alle einig, habe wegen der Pandemie keiner von ihnen. Dass das Ensemble mit Schwung bei der Sache ist, zeigte sich auch im letzten Stück, „Ein Londoner in New York” von Jim Parker. Ein Teil des Stücks widmet sich dem Grand-Central-Bahnhof, und es war eine Riesenfreude, als vier Trompeten, vier Posaunen, ein Horn und eine ma eine Eisenbahn auf wilder Fahrt durch die Scheune am Holzer Wasserturm schickten. Lorenz, auch Dirigent der Matinee, zeigte sich hocherfreut, dass seine Studierenden ihr Comeback „so positiv-offensiv angepackt haben, da hat man gemerkt: Die haben so richtig Bock, die haben Lust aufs Spielen. ” Keiner habe sich vom hohen Standard der HfM schrecken lassen, auch wenn man im Vorfeld des Konzertes nur sechs Mal gemeinsam proben konnte, „das war ‘n bisschen sportlich, aber es ist super gelaufen”. So ist Lorenz nicht zuletzt der „Aktion Kultur Heusweiler” dankbar, denn die hat, zusammen mit dem Richard-Wagner-Verband Saar — den Auftritt möglich gemacht. Und es war bei weitem nicht das erste Mal, dass die Aktion Kultur Nachwuchs-Musiker durch Auftrittsmöglichkeiten fördert, denn das gehört zu ihren ausdrücklichen Zielen. So sei es jetzt auch darum gegangen, schildert der Vereins-Vorsitzende Günter Bost, den Musikstudierenden schnellstmöglich wieder Auftrittsmöglichkeiten anbieten zu können, zumal im Bereich der klassischen Musik, die insgesamt wieder mehr Beachtung vertragen könne. Daher seien die Konzerte natürlich nicht nur eine Förderung für die Studierenden, sondern auch ein Angebot „für alle Klassik-Willigen”. Kommendes Jahr darf man sich auf besonders viele Konzerte der HfM Saar freuen, denn dann wird sie 75 Jahre alt. Das nächste Konzert der Aktion Kultur, Sonntag, II. Juli, ist schon ausgebucht. Die Gäste sollten frühzeitig da sein. www.hfm.saarland.de www.aktion-kultur-heusweiler.de www.jochenlorenz.com

INFO Was im Konzert gespielt wurde

„The Arrival of the Queen Sheba” (Der Einzug der Königin von Saba”) von Georg Friedrich Händel (aus dem Oratorium „Solomon”, Premiere: 1749).

„Sonata Pian’e Forte” von Giovanni Gabrieli. Das Werk von 1597 gilt als ein Wegbereiter der Instrumentalmusik.

„4 Brass Cats” von Chris Hazell, der darin seine vier Katzen porträtiert, gilt als ein Schlüsselwerk für Blechbläser. Hazell schrieb es für das 1951 gegründete „Philip Jones Brass Ensemble”, das erste echte Blechbläser-Ensemble.

„Greensleeves”, eines der wohl populärsten englischen Lieder, das aus dem Elisabethanischen Zeitalter stammt und in unzähligen Variationen sogar als Rock-Version Verbreitung fand.

„A Londonerin New York” von Jim Parker, ein musikalisches Porträt der Stadt New York.

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